16.04.2024

Verlag finden, der mein Buch veröffentlicht

 

In diesen Tagen gab es ein Ärgernis mit einer Literaturagentur, die von einer geschätzten Autorin sehr viel Geld verlangte, doch nur eine überschaubare Gegenleistung erbringen konnte. Sicher gibt es redliche Agenten. Das ist keine Frage.

Wir als hauptberuflich tätige Lektoren haben Erfahrung, und wer sich in die Hände der Unseriösen begibt, hat welche beauftragt, die zum Briefkasten gehen, ohnehin überlastete Verlagslektoren belästigen, Autoren beleidigen und am Ende kassieren. Ich sage: Für das Geld sollte man besser eine Gartenparty veranstalten. Die bringt mehr Heiterkeit, und der Kater am nächsten Morgen ist sogar schön.

Hoffnung: Verlag findenEntscheidend ist für den Autor bzw. die Autorin: Das Manuskript soll inhaltlich und formal makellos sein. Es wird Korrekturen geben. Die sind oftmals Geschmackssache, doch auch den Druckmöglichkeiten geschuldet nach Art und Umfang.

Ich selbst kenne das Unwesen aus meiner Zeit in der ersten Reihe vor den Kameras, Mikrofonen und Druckmaschinen der Tageszeitungen. Irgendwo da draußen gab es Agenturen, die für teures Geld ihren Auftraggebern versicherten, zuverlässig Rundfunksendungen und Zeitungsartikel offerieren zu können. Diese Agentur-Leute mit BWL-Studium schickten allerlei Pressetext-Unsinn. Die Rückseiten der Blätter eigneten sich als Schmierpapier, und die Anrufe von denen wurden am Telefon nach Sekunden abgeblockt, weil alsbald eine Sendung anstand oder der Redaktionsschluss nahte. Ich habe das von 1978 bis 2003 erlebt, vor allem beim Deutschlandfunk und beim Westdeutschen Rundfunk.

Nicht anders ist das oftmals bei Verlagslektoren, die sich nicht stören lassen wollen.

Literatur, die gute, allein, die zählt sehr oft nicht mehr. Die Liebhaber in den Verlegerkreisen sterben aus. Mit Literatur muss Geld gemacht werden. Da gibt es allerlei Kriterien und Zurückhaltungen: Ein neuer Autor ist wie das Jesuskind in Bethlehem, zu dem nur ein Schweif am Firmament führen kann. Indessen wird weitaus mehr als nötig unten geschoben und taxiert.

Früher, in der Zeit ohne Internet und also ohne E-Books, galt: Wer schreibt, der bleibt. Ein Buch gehört ins Regal, muss pfleglich behandelt werden, weil die Deckel Gefühle und Wissen, Findigkeit und Ausdauer zusammenhalten, also Denkmäler sind. Oder um es aus der Sicht der Autoren zu sagen: „Warum schreiben wir sonst ein Buch, wenn es nicht die Axt ist in dem gefrorenen Meer in uns?“ Das Zitat stammt aus einem Brief an Franz Kafka. Autor: der Kunsthistoriker Oskar Pollak.

Meiner Meinung nach wäre es gut, notfalls zum E-Book-Markt zu gehen und nicht frustriert aufgeben zu wollen. Die Veröffentlichung als E-Book schließt nicht aus, dass einige Verlage, die kostenlos drucken und werben, einsteigen. Diese deutlichen Trennungen gibt es seit einigen Jahren oftmals nicht mehr. Doch erscheinen jährlich mehr als 80.000 Titel in Deutschland. Einen Verlag zu finden: Die Quote liegt deutlich unter der, einen Lottogewinn zu erzielen. Sehr große Verlage erhalten monatlich 4.000 Manuskripte für drei Lektoren und veröffentlichen zwei Titel binnen vier Wochen: wenn überhaupt so viele in diesem Zeitraum.

Nicht alles, was am Ende als druckreif betrachtet wird, überlebt intern. Die wirtschaftlichen Zwänge in den Verlagen sind groß. Das sollte beachtet werden. Das Gute setzt sich nicht immer durch, die Hilflosigkeit durchaus.

Wenn man alle Varianten in Zahlen fasst, Wurzeln zieht, potenziert und sonst etwas, kommen wir tatsächlich mathematisch in den Bereich, in dem  eher der Blitz einen Menschen trifft als ein Verlag von sich aus ein Meisterwerk finden will und kann, das noch nicht von Dritten entdeckt wurde. Die Wahrscheinlichkeit, aus dem Stand einen Verlag finden zu können, ist also sehr gering.

Wir als Lektoren außerhalb sollten begleiten, fördern, ermuntern – aber mit Realismus dafür sorgen, dass Werke tatsächlich wärmendes Sonnenlicht erhalten und nicht irgendwo verschwinden. Möglicherweise läuft vieles aufs E-Book hinaus. Und die Lektoren konzentrieren sich nicht nur auf den Text, sondern auf die Möglichkeiten, die sich realistisch ergeben.

Denn: Aus Euphorie, mit Mühe und Phantasie ein Werk geschaffen zu haben, wird leicht Verzweiflung.