29.03.2024

Lektor. „Go!“. Wirtschaftskrimi von H.-J. Massong, Hamburg

 

Hans-Jürgen Massong hat ein Manuskript erstellt, das an die Einsamkeit des Franz Biberkopfs in „Berlin Alexanderplatz“, an die Detailtreue in den „Buddenbrooks“ von Thomas Mann und besonders an gute Spielfilme erinnert, in denen Höhenflüge zum Absturz führen. Bis dahin ist eine Menge los, vor allem im Osten Europas.

Mit "Go" hat Herr Massong einen Wirtschaftskrimi geschrieben.

Autor: Hans-Jürgen Massong

Zurück bleibt kein gebrochener Mann, der sich überschätzt hat. Legal, randlegal oder illegal: Der hat seine Chancen genutzt. „Scheißegal“ war nichts. Das Werk von Hans-Jürgen Massong ist keineswegs ein Psychogramm der Gierigen und Dummen.

Die Zeiten in Ost und West

Es liegt ein Wirtschaftskrimi vor, der sich auch und vor allem um die Zeitenwende zwischen Ost und West dreht, beschreibt: den Aufstieg, die Sinnleere, den Absturz, den Neuanfang des Autors, der Geschäfte machen wollte.

Traum: erfolgreich sein und Millionär werden. Das Ziel wurde fast atemlos entschlossen erreicht.

In Wahrheit sorgte sich der Erzähler im Innersten ums Geld, hat jüdische Vorfahren, dachte wegen der eigenen Familiengeschichte früh international und beginnt in seinem Werk mit dem Bruch, die die Gefängnisstrafe am Ende erzählt.

In der Untersuchungshaft sieht er verzweifelt Kippen und Spuren von Speichel auf dem Boden. De Justiz ist hart in der Sache, freundlich im Umgang. Dennoch erkennt der Hasardeur: Er ist vorerst endgültig unfrei, gefangen, gescheitert. Der Höhenflug bewegte sich auf Langstrecke.

Der Kern des Goldgräbers

Die Begründung für das vermeintliche Sicherheitsdenken liegt im Elternhaus. Man hat zu funktionieren, selbstständig, und nicht zu betteln. Das war schon die Vorgabe des Großvaters. Der hegte hohe Erwartungen.

Der Vater des Erzählers wollte sich mit redlicher Arbeit im Hafen oder bei der Post begnügen. Das kam für den Großvater nicht infrage. Die angeheiratete, 30 Jahre jüngere Ehefrau des Villenbesitzes, also die Stiefgroßmutter, fürchtete sich vor der Überforderung. Wissen, geschaffen durchs Lernen, führe zur Arroganz. So dachte man.

Also wurde der Vater des Erzählers ein redlicher Hamburger Kaufmann und zuständig für die Schiffssicherheit bei einem reichlich renommierten Unternehmen. Alles war gut.

Erzählt wird ein Stück Zeitgeschichte, um die DDR, die COCOM-Liste. Es war schwer, in die DDR zu telefonieren, und der Leser schwelgt in Erinnerungen, wenn er das selbst jemals versucht haben sollte. Es war dort bis zum Fall der Mauer für den Westler grau, also trist.

Warschau sehen …

Warschau zeigte später, dass sich der Umbruch in der zweiten Hälfte der 80er-Jahre im Osten gelohnt hat. Das schöne Warschau erleben und sich nicht verabschieden können … Das lag nicht nur an dem denkwürdigen Abend mit Piloten der britischen Royal Air Force, die ihren hochprozentigen Treibstoff Glas für Glas mit dem Autor in einem piekfeinen Hotel der polnischen Hauptstadt in sich hineingossen.

Dass eine Prostituierte im 4-Sterne-Hotel an der Zimmertür in Moskau nach den Wünschen in der Nacht fragt, ist ein Detail wie die Beschreibung des Flures in Warschau, auf dem hingegen eine ältere Dame am Tischchen hockt und Wache hält. Ausgerechnet die Aufpasserin lächelt, weil der Erzähler kein Interesse an der sexuellen Offerte zeigt. Wirtschaft auf polnischen Fluren eben auch.

Allgemein beklagt wurde in der Zeit nach dem 9. November 1989, dass allerlei „Raubritter“ aus dem Westen eingefallen waren. Neue, große Märkte ergaben sich. Besonders diese Geschichte wird aus der Sicht des „Goldgräbers“ temporeich erzählt.

Winden und wenden

Heiter wie viele andere Beschreibungen wirkt die Begebenheit des Uhrentausches abends mit einem russischen General. Der Alkohol wirkte. Der Erzähler musste unbedingt verhindern, seine goldene Uhr aus der Schweiz im Namen der Freundschaft womöglich gegen billigen russischen Ramsch tauschen zu müssen.

Alle Ausreden halfen nichts. Ein Schatten lag auf dem Gesicht des russischen Generals in Hamburg, der doch noch zur neuen Armbanduhr kam, jedoch nicht aus kostbarem Edelmetall, sondern gut digitalisiert ohne hochpreisige Besonderheit. Dafür, dass er eingesprungen war, wurde ein Freund alsbald dankbar mit einer Titanuhr belohnt. Man hielt zusammen, selbst gegen die hohen Militärs: West gegen Ost.

Männer reden in dem umfangreichen Werk über Geschäfte, über Autos, über Idee, erleben die Welt – und sind letztlich unter sich. Frauen spielen in diesem Alltag eine randständige Rolle. Wichtiger sind Autos: Geld und was man dafür kaufen kann Jaguars, BMWs, Mercedes´ …

Übrigens: Der Neuanfang ist nach all dem in Hamburg gelungen. Aus Erfahrung wird man klug. Das ist keine andere Geschichte.

Empfehlung:

Gern stelle ich den Kontakt zum Autor her, weil in seinem Werk mitfühlbar mit wohl Tausenden von Details dargestellt wird. „Go!“ (Arbeitstitel) ist ein besonderes Werk für alle, die nach unverblümten Einblicken in Mentalitäten, die uns gewöhnlich verschlossen bleiben., suchen: Leben außerhalb des Mainstreams.

Es gibt im Manuskript weder Selbstvorwürfe noch dreiste Versuche, sich die Hände reinwaschen zu wollen. Der Leser entscheidet nach seinen eigenen moralischen Kategorien, ob er verstehen will.

Am Ende bleibt die freundliche Distanz, wenngleich Verständnis für die aufstrebenden Prinzen gezeigt werden kann, die sich als Könige der Wirtschaftswelt verstanden haben, wenn da nicht diese 60 Millionen Euro Schaden und die lange Gefängnisstrafe wären.

Das Werk ist unveröffentlicht und wird jedem Verlagslektor und Leser Einsichten und Lesefreude bringen. Darum muss es immerzu gehen. Deshalb empfehle ich Hans-Jürgen Massings fulminantes Werk.