25.04.2024

Wie groß ist die eigene Recherche des Ghostwriters?

 

Sie liegt bei mir bei 90 Prozent. Steht eine Dame allein an der Straßenbahn, recherchiere ich für diesen Halbsatz Ausgangspunkt und Endpunkt der Tram, die Nummer der Linie, gucke mir Haltestellen an, denke an die Körperhaltung des wartenden Fahrgastes und an die Geräusche an einer belebten Straße.

Google Maps oder Google Street View können helfen, alte Fotos und viele andere Dokumente aus vergangenen Zeiten ebenso. Vielfältig sind die Quellen.

Die Detailarbeit wird nicht durch aussagekräftige Unterlagen der Auftraggeber ersetzt.

Steht die Frau auf einer Insel oder verloren im Wohngebiet? Wie fühlt sich das an? Das Formulieren einer Biografie ist wie das Schreiben eines Romans. Der Aufwand ist gewaltig.

Detailarbeit

Die Denkarbeit ist ebenso groß und nüchtern. Wenn ein Leichenwagen vor einer Videothek vorfährt und die Herren der Pathologie ihrer täglichen Arbeit nachgehen: Was meinen Sie?

Die schleppen nicht. Also fahren sie so nah heran wie möglich. Würde ich es bei einer groben Beschreibung des Parkens belassen, käme ich nicht an die Stimmung im Alltag heran, obwohl die Umstände zuweilen traurig sind.

An einem Tatort herrschen viele verschiedene Stimmungen.

Einfühlungsvermögen

Man muss sich hineindenken, mit Polizisten sprechen, neugierig bleiben, auch bei ALDI an der Kasse oder beim Beobachten junger Mädchen, die innen in der Berliner S-Bahn vor der verschlossenen Tür des einfahrenden Zuges nach ihrem Handy greifen, um den Freundinnen wenige Meter vor ihnen auf dem Bahnsteig mitzuteilen, dass sie gleich aussteigen werden.

Das Absurde lauert an jeder Ecke.

Die Kunst des Ghostwriters liegt auch darin, die eigene Normalität zu pflegen, das eigene Abschaltenkönnen. Das ist während der Arbeit für ein Buch wirklich nicht einfach und gelingt nicht immer.

Er kann zudem beschreiben, wie Türen in ihre Schlösser fallen, wie Züge anfahren oder Menschen ihre müden Beine zufrieden übereinander schlagen.

Am Anfang steht die Idee, auf welchen Wegen sich Leser einfühlen sollen.