24.04.2024

Wie wird man Lektor?

 

In dem Portal „Wer weiß was?“ gibt es Fragende und Experten. Eine junge Dame wollte wissen, ob sie mit der Fachhochschulreife Lektorin werden könne, ob sie unbedingt ein Hochschulstudium benötige.

Auf deren Frage habe ich gern geantwortet. Indessen ergibt sich womöglich hier der Einblick für viele andere Schülerinnen und Schüler, ob sie den Beruf des Lektors ergreifen sollten:

„Liebe Madeleine,

ein Studium ist hilfreich, doch scheint es mir nicht unbedingt notwendig zu sein.

Es geht immer um das Wissen. Beherrscht jemand perfekt die Neue Deutsche Rechtschreibung und hat jemand ein überdurchschnittlich gut ausgeprägtes Gefühl für Stil und Form, unterscheidet sich der möglicherweise von einem, der studiert hat: für das Korrektorat. Dieser Jemand ist oft durchaus auch eine Frau …

Zur Arbeit gehört unbedingt Lebenserfahrung. Der Lektor taucht in fremde Länder ab (Reiseberichte, Romane etc.), in Lebenswelten zu ihrer Zeit: Es ist notwendig, eine überdurchschnittlich gute Allgemeinbildung und vor allem Empathie mitzubringen.

Hinzu kommt die eigene soziale Kompetenz. Zuweilen arbeitet man/Frau wochen- oder monatelang mit anderen Menschen zusammen. Wie in Mensch denkt, über welche Fertigkeiten er verfügt, steckt in diesem Manuskript. Insofern muss der Lektor in der Lage sein, sehr sensibel mit Autorinnen und Autoren umzugehen.

Einige Schriftstellerinnen und Schriftsteller sind sehr dünnhäutig. Gravierende Änderungen können als persönliche Angriffe verstanden werden. Der professionelle Lektor ist also ein Verbündeter im Interesse des Autors und seines Werks. Vorschläge und eigene Änderungen müssen überzeugend kommuniziert werden. Fähigkeiten erlernt man strukturiert an den Universitäten. Die gute menschliche Seite für diesen Beruf bringt man mit. Übrigens ist die alltägliche Arbeit mehr Schwarzbrot als Sahnetorte …

Man muss in Ruhe stundenlang ohne soziale Kontakte auskommen können, über Tage und Wochen hinweg mit voller Konzentration Wort für Wort, Zeile für Zeile lesen und verstehen. Wer nicht einsam sein kann, hat den Beruf verfehlt.

Vielleicht versuchen Sie sich einmal an einem Manuskript. Die sind leicht im Internet zu finden. Wenn Sie mit einem festen Plan zwei bis drei Wochen daran gearbeitet haben, werden Sie sehen, ob Sie alle Fähigkeiten für viele Jahre mitbringen können. Ich glaube, dass diese Art der Ermutigung die beste ist. Also ausprobieren …

Nicht allein das ABC hebt den Menschen in die Höh´, sagte Wilhelm Busch.

Ihr Karl-Heinz Smuda Lektor und Ghostwriter in Berlin“